Freitag, 29. Juni 2012

Der Wert des Mona-Lisa-Logos

Andy Warhol - Super Stream?
Wer kennt sie nicht? Sie ist eine Ikone unserer Kultur, die androgyne Dame mit dem schmerzerfüllten Lächeln. Sie erscheint auf Briefmarken, Bechern, Regenschirmen, Schlüsselanhängern. Es gibt sie mit Bart und als Dasy-Duck. Und immer erkennen wir sie wieder: UNSERE Mona Lisa.
Wie viele Tausend Menschen pilgern Jahr für Jahr um sie herum, als wäre sie ein Heilbringender Stein? Und je nachdem, wie die Menschen eingestellt sind, bestätigt sich durch die Betrachtung des Originals das aufregende Gefühl mit etwas Großartigem in Berührung gekommen zu sein, oder es wird verschämt verschwiegen, dass man eigentlich gar nichts spürt.
Was hat sie, was andere nicht haben?

Marcel Duchamps Version der Mona-Lisa

Die Mona Lisa funktioniert wie ein Logo der abendländischen Geisteserrungenschaft: Verkörpert durch den multigenialen Da Vinci. Der war nämlich nicht nur Maler, sondern auch Techniker. Nicht nur gut, sondern GENIAL!
In der Mona Lisa sieht man die Vollendung des Schrittes, der unsere abendländische Kultur so mächtig und allen anderen - jawohl, so sehen wir es doch - ÜBERLEGEN gemacht hat: der Abstand von der dunkel-mittelalterlichen Glaubenswelt hin zur wahren, perspektivisch realistischen Sicht der Welt. Dazu kommt: in der Renaissance kam der Wettbewerbsgedanke auf, und die Maler traten heraus aus dem Kollektiv und wurden zu Individuen.
Jeden Künstler kann man jetzt an SEINEM Stil erkennen. Da entstehen neue, kommerzielle Werte. Maler-Marken wurden geboren.
Wir verstehen das intuitiv. Wir haben uns auf diese Mona Lisa als Symbol für den Anbruch dieser neuen Zeit und unser Überlegenheit stillschweigend geeinigt. - Gar kein Problem, wenn man sie verschnurrbartet oder verentenschnabelt. Denn es gibt ja das Original hinter Panzerglas: die einzigartige Referenz, die Wurzel.

So, und jetzt spiele ich das Ganze mit dem Logo der Deutschen Bank nach.
Das ist ein fast schon komischer Versuch, Überlegungen zur Mona Lisa auf ein zweifarbiges, Maschinen-erstelltes Bild zu übertragen. Ein blaues Quadrat mit einem Strich drin.

Kann man es trotzdem noch erkennen?
 Was wohnt dem inne? Auch dieses Logo gibt es auf  Aufklebern, Bechern, Regenschirmen, Schlüsselanhängern. Ich weiß nicht, ob es auch schon mal verschnurrbartet wurde. Aber ich weiß, dass es ungeheuer wertvoll ist: die Marke wird auf 15,1 Milliarden Dollar geschätzt.
Auch hinter dem Logo der Deutschen Bank verbirgt sich die Vorstellung kultureller Überlegenheit durch rationale Geisteshaltung.  Es demonstriert: Wir sind stabil. Wir bringen Gewinn. Bei uns ist die Sache klar. - Mehr nicht.
Mehr nicht? Steckt da nicht auch etwas deutsches Selbstverständnis drin? Sind wir so, wir Deutschen?
Das Logo ist Ausdruck eines Willens, der anderen entgegengesetzt wird.
Es ist kein Symbol und es gibt von ihm kein Original.
Wie kann es angehen, dass es so mächtig und wertvoll wird?

Ist da Liebe im Spiel?

ANHANG:
Wie viel ist die Mona Lisa wert? - Freiherr von Gumppenberg erläutert die Ansicht der Allianz...
https://www.allianz.com/de/presse/news/engagement_news/kultur/news_2010-08-19.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Mona_Lisa
Der Wert der Marke „Deutsche Bank“ wird auf  15,2 Milliarden Dollar geschätzt.
http://www.finanzpraxis.com/2011/02/%E2%80%9Ebrandfinance%C2%AE-banking-500%E2%80%9C-markenwert-der-deutschen-bank-gestiegen/
(n-tv gibt den Wert mit schlappen 15,1 Milliarden an: „Platz 42: Deutsche Bank. Im Heimatmarkt die führende Bank, ist der Wert der Marke des Geldhauses international nicht ganz so üppig. im Ausland gibt es eben doch größere Hechte im Karpfenteich. Markenwert: 15,1 Mrd. Dollar..“
http://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/wirtschaft/Die-teuersten-Marken-der-Welt-article11959.html)

Sonntag, 10. Juni 2012

Was ist Unternehmenskultur? Definitionen und ein Vorgeschmack darauf, was man damit anfangen kann.




Domenico di Michelino (1417-91), Dante und sein Buch
Organisationen kann man als Ausdruck kultureller Vorstellungen betrachten. Dante entwarf zum Beispiel gemäß seiner Prägung eine Vision von streng hierarchisch organisiertem Jenseits. Die Wertvorstellungen seiner Zeit und seiner Kultur flossen direkt in ein Organisationsgemälde von Himmel und Hölle, das immer noch ebenso schrecklich wie faszinierend ist.

Etwas pragmatischer, gegenwärtiger und undogmatischer geht es heute schon zu. Zumindest hier, bei Marketing-Springer. Gott sei Dank?

Dennoch ist Unternehmenskultur auch eine Form von Kultur, die eingebettet ist in vielfältige kulturelle Systeme:
Die Menschen eines Unternehmens rekrutieren sich nämlich stets aus einem kulturellen Umfeld, das bestimmt ist durch Nation/ Geschichte, Rasse, Klasse, Religion, Geschlecht und die Branchen/Berufsprägung. Deshalb kommt man bei der Frage nach Unternehmenskultur nicht umhin, sowohl über „Kultur“ als auch über  das Wesen von „Unternehmen“ oder „Organisation“ nachzudenken.

Im Folgenden werde ich einige Definitionen anbieten, die sich wunderbar ergänzen.

Kultur kann definiert werden als ein über einen längeren Zeitraum bestehendes, integratives Muster aus Struktur/Regeln und Werten/Normen, das Individuen definierte Freiräume gewährt.

Unternehmenskultur nach Jaques ist ein solches Muster aus Struktur, Kultur und Persönlichkeit, das dem Unternehmen seinen einzigartigen Charakter verleiht.

Weitere Definitionsversuche für „Kultur“, zusammengestellt von Linda Smircich, ASQ 3/1983**:
  • Kultur bedient als Instrument biologische und psychologische Bedürfnisse der Menschen.
  • Kultur funktioniert wie ein anpassbarer, regulierender Mechanismus. Sie vereinigt Individuen in soziale Strukturen.
  • Kultur ist ein System von geteiltem Wissen. Der Mensch erzeugt Kultur über die Bedeutung einer begrenzten Anzahl von Rollen.
  • Kultur ist ein System  von geteilten Symbolen und Bedeutungen.
  • Kultur ist eine Projektion von universaler, unbewusster Infrastruktur
Merkmale von Organisation (Unternehmen), zusammengestellt von Linda Smircich, ASQ 3/1983**, können sein:
  • Organisationen sind Instrumente zur Aufgabenbewältigung.
  • Organisationen sind anpassungsfähige Organismen, die vom Austausch mit den Umwelt leben.
  • Organisationen sind Wissenssysteme. Sie besteht aus einem Netzwerk von Subjektivem, das ihre Mitglieder bis zu einem bestimmten Grad teilen und das in einer Art Regel- und Rollenbild/-verhalten wirkt.
  • Eine Organisation wird zusammengehalten durch symbolische Modi wie zum Beispiel die Sprache, die gemeinsame Interpretationen der Realität ermöglicht.
  • Organisationsformen und -Praktiken sind Manifestationen von unbewussten Prozessen.
Unternehmenskultur wird geprägt durch Individuen, das Fach/die Branche, durch Führung und Erfolg.

Ein Unternehmen kann nach Bertalaffny, Boulding, Heinen, Kirsch und Ulrich als ein offener, dynamischer, ökonomischer, sozio-technischer Organismus gesehen werden. (Im Original wird von „Systemen“ gesprochen, deren Subsysteme und Elemente sich gegenseitig und die Gesamtheit beeinflussen.)

Kultur ist wandelbar; denn keiner der Faktoren, die sie ausmacht, ist ewig beständig. Trotzdem ist sie (nach Schein*) breit, tief und stabil.

Unternehmenskultur ist also kein kleines Rädchen im unternehmerischen Getriebe, an dem man beliebig drehen kann. Sie ist eher zu vergleichen mit dem Gehäuse für den Betrieb: das muss passen und funktionell sein.

Die Kunst, Unternehmenskultur nach strategischen Gesichtspunkten zu lenken, beginnt damit, sich seiner eigenen Kultur bewusst zu werden. Das ist gar nicht so leicht.

Was gut und böse ist, ist Unternehmens-Ansichtssache?
Sichtbar wird Kultur durch ihre Artefakte und der nach außen kommunizierten Werte. Was aber  darunter liegt, sind die verinnerlichten Wertvorstellungen, die sich in Gewohnheiten, emotionalen Bewertungen und teils informellen Regeln ausdrücken. Jede Entscheidung wird auf dieser kulturell -emotionalen Basis gefällt. 

„Der ganze Entscheidungsprozess – der darauf hinausläuft, dass man am Ende sagen kann: Es wird jetzt so gemacht – beruht auf einer impliziten Informationsverarbeitung, die dem „Entscheider“ gar nicht bewusst sein kann. Hier spielen … emotionale Bewertungen mit hinein. Ohne Emotionen haben Entscheidungen gar keinen Sinn.“ sagt Ernst Pöppel, Professor für Medizinische Psychologie im „side step“ (Publikation der BertelsmannStiftung 3/2012).

Will man also die eigene Kultur kennenlernen, etwa um sie zu verändern, muss man sich in den Bereich der Grundannahmen begeben, die „entscheidende“ Gefühle auslösen.

Versuchen Sie es mit Scheins fünf Dimensionen der Kultur!  Spüren Sie der emotionalen Bedeutung Ihrer Grundannahmen nach:
  • Welche Annahmen, welche emotionale Einstellungen haben Sie zur Beschaffenheit von der menschlichen Natur (z.B: Ist der Mensch grundsätzlich gut oder böse? – Können sich Menschen ändern?)
  • Beziehungen (z.B: Was ist ein Boss? Was wäre ein guter Boss? Sind Sie ein guter Untergebener/Boss?)
  • Aktivität (z.B: Muss ich aktiv sein oder muss ich warten, bis jemand auf mich zukommt?)
  • Realität und Wahrheit (z.B: Rationalität über alles? Die Wahrheit ist subjektiv?)
  • Zeit und Raum (z.B. Mein Büro ist meine Burg. Wenn mein Kollege sich nicht an die abgemachten Zeiten hält, bin ich...)*

Anhand diese Selbstversuches können Sie sehen: Sie haben zu allem eine Meinung. Wie haben Sie sich diese gebildet? Wieweit werden Sie durch Ihren Arbeitsalltag geprägt? Welche Schnittmengen haben Sie mit Ihren Kollegen? Und wie werden diese Gemeinsamkeiten aufrecht erhalten?

Für eine Kulturanalyse nach Schein* werden übrigens ca. 4 Stunden für eine Gruppe von 7 bis 15 Personen veranschlagt. - Ich hatte ja einen Vorgeschmack in der Überschrift versprochen!

*Edgar H. Schein, Organisationskultur, EHP/2003
** englisches Original wurde von mir interpretativ übersetzt.