Freitag, 29. Juni 2012

Der Wert des Mona-Lisa-Logos

Andy Warhol - Super Stream?
Wer kennt sie nicht? Sie ist eine Ikone unserer Kultur, die androgyne Dame mit dem schmerzerfüllten Lächeln. Sie erscheint auf Briefmarken, Bechern, Regenschirmen, Schlüsselanhängern. Es gibt sie mit Bart und als Dasy-Duck. Und immer erkennen wir sie wieder: UNSERE Mona Lisa.
Wie viele Tausend Menschen pilgern Jahr für Jahr um sie herum, als wäre sie ein Heilbringender Stein? Und je nachdem, wie die Menschen eingestellt sind, bestätigt sich durch die Betrachtung des Originals das aufregende Gefühl mit etwas Großartigem in Berührung gekommen zu sein, oder es wird verschämt verschwiegen, dass man eigentlich gar nichts spürt.
Was hat sie, was andere nicht haben?

Marcel Duchamps Version der Mona-Lisa

Die Mona Lisa funktioniert wie ein Logo der abendländischen Geisteserrungenschaft: Verkörpert durch den multigenialen Da Vinci. Der war nämlich nicht nur Maler, sondern auch Techniker. Nicht nur gut, sondern GENIAL!
In der Mona Lisa sieht man die Vollendung des Schrittes, der unsere abendländische Kultur so mächtig und allen anderen - jawohl, so sehen wir es doch - ÜBERLEGEN gemacht hat: der Abstand von der dunkel-mittelalterlichen Glaubenswelt hin zur wahren, perspektivisch realistischen Sicht der Welt. Dazu kommt: in der Renaissance kam der Wettbewerbsgedanke auf, und die Maler traten heraus aus dem Kollektiv und wurden zu Individuen.
Jeden Künstler kann man jetzt an SEINEM Stil erkennen. Da entstehen neue, kommerzielle Werte. Maler-Marken wurden geboren.
Wir verstehen das intuitiv. Wir haben uns auf diese Mona Lisa als Symbol für den Anbruch dieser neuen Zeit und unser Überlegenheit stillschweigend geeinigt. - Gar kein Problem, wenn man sie verschnurrbartet oder verentenschnabelt. Denn es gibt ja das Original hinter Panzerglas: die einzigartige Referenz, die Wurzel.

So, und jetzt spiele ich das Ganze mit dem Logo der Deutschen Bank nach.
Das ist ein fast schon komischer Versuch, Überlegungen zur Mona Lisa auf ein zweifarbiges, Maschinen-erstelltes Bild zu übertragen. Ein blaues Quadrat mit einem Strich drin.

Kann man es trotzdem noch erkennen?
 Was wohnt dem inne? Auch dieses Logo gibt es auf  Aufklebern, Bechern, Regenschirmen, Schlüsselanhängern. Ich weiß nicht, ob es auch schon mal verschnurrbartet wurde. Aber ich weiß, dass es ungeheuer wertvoll ist: die Marke wird auf 15,1 Milliarden Dollar geschätzt.
Auch hinter dem Logo der Deutschen Bank verbirgt sich die Vorstellung kultureller Überlegenheit durch rationale Geisteshaltung.  Es demonstriert: Wir sind stabil. Wir bringen Gewinn. Bei uns ist die Sache klar. - Mehr nicht.
Mehr nicht? Steckt da nicht auch etwas deutsches Selbstverständnis drin? Sind wir so, wir Deutschen?
Das Logo ist Ausdruck eines Willens, der anderen entgegengesetzt wird.
Es ist kein Symbol und es gibt von ihm kein Original.
Wie kann es angehen, dass es so mächtig und wertvoll wird?

Ist da Liebe im Spiel?

ANHANG:
Wie viel ist die Mona Lisa wert? - Freiherr von Gumppenberg erläutert die Ansicht der Allianz...
https://www.allianz.com/de/presse/news/engagement_news/kultur/news_2010-08-19.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Mona_Lisa
Der Wert der Marke „Deutsche Bank“ wird auf  15,2 Milliarden Dollar geschätzt.
http://www.finanzpraxis.com/2011/02/%E2%80%9Ebrandfinance%C2%AE-banking-500%E2%80%9C-markenwert-der-deutschen-bank-gestiegen/
(n-tv gibt den Wert mit schlappen 15,1 Milliarden an: „Platz 42: Deutsche Bank. Im Heimatmarkt die führende Bank, ist der Wert der Marke des Geldhauses international nicht ganz so üppig. im Ausland gibt es eben doch größere Hechte im Karpfenteich. Markenwert: 15,1 Mrd. Dollar..“
http://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/wirtschaft/Die-teuersten-Marken-der-Welt-article11959.html)

Sonntag, 10. Juni 2012

Was ist Unternehmenskultur? Definitionen und ein Vorgeschmack darauf, was man damit anfangen kann.




Domenico di Michelino (1417-91), Dante und sein Buch
Organisationen kann man als Ausdruck kultureller Vorstellungen betrachten. Dante entwarf zum Beispiel gemäß seiner Prägung eine Vision von streng hierarchisch organisiertem Jenseits. Die Wertvorstellungen seiner Zeit und seiner Kultur flossen direkt in ein Organisationsgemälde von Himmel und Hölle, das immer noch ebenso schrecklich wie faszinierend ist.

Etwas pragmatischer, gegenwärtiger und undogmatischer geht es heute schon zu. Zumindest hier, bei Marketing-Springer. Gott sei Dank?

Dennoch ist Unternehmenskultur auch eine Form von Kultur, die eingebettet ist in vielfältige kulturelle Systeme:
Die Menschen eines Unternehmens rekrutieren sich nämlich stets aus einem kulturellen Umfeld, das bestimmt ist durch Nation/ Geschichte, Rasse, Klasse, Religion, Geschlecht und die Branchen/Berufsprägung. Deshalb kommt man bei der Frage nach Unternehmenskultur nicht umhin, sowohl über „Kultur“ als auch über  das Wesen von „Unternehmen“ oder „Organisation“ nachzudenken.

Im Folgenden werde ich einige Definitionen anbieten, die sich wunderbar ergänzen.

Kultur kann definiert werden als ein über einen längeren Zeitraum bestehendes, integratives Muster aus Struktur/Regeln und Werten/Normen, das Individuen definierte Freiräume gewährt.

Unternehmenskultur nach Jaques ist ein solches Muster aus Struktur, Kultur und Persönlichkeit, das dem Unternehmen seinen einzigartigen Charakter verleiht.

Weitere Definitionsversuche für „Kultur“, zusammengestellt von Linda Smircich, ASQ 3/1983**:
  • Kultur bedient als Instrument biologische und psychologische Bedürfnisse der Menschen.
  • Kultur funktioniert wie ein anpassbarer, regulierender Mechanismus. Sie vereinigt Individuen in soziale Strukturen.
  • Kultur ist ein System von geteiltem Wissen. Der Mensch erzeugt Kultur über die Bedeutung einer begrenzten Anzahl von Rollen.
  • Kultur ist ein System  von geteilten Symbolen und Bedeutungen.
  • Kultur ist eine Projektion von universaler, unbewusster Infrastruktur
Merkmale von Organisation (Unternehmen), zusammengestellt von Linda Smircich, ASQ 3/1983**, können sein:
  • Organisationen sind Instrumente zur Aufgabenbewältigung.
  • Organisationen sind anpassungsfähige Organismen, die vom Austausch mit den Umwelt leben.
  • Organisationen sind Wissenssysteme. Sie besteht aus einem Netzwerk von Subjektivem, das ihre Mitglieder bis zu einem bestimmten Grad teilen und das in einer Art Regel- und Rollenbild/-verhalten wirkt.
  • Eine Organisation wird zusammengehalten durch symbolische Modi wie zum Beispiel die Sprache, die gemeinsame Interpretationen der Realität ermöglicht.
  • Organisationsformen und -Praktiken sind Manifestationen von unbewussten Prozessen.
Unternehmenskultur wird geprägt durch Individuen, das Fach/die Branche, durch Führung und Erfolg.

Ein Unternehmen kann nach Bertalaffny, Boulding, Heinen, Kirsch und Ulrich als ein offener, dynamischer, ökonomischer, sozio-technischer Organismus gesehen werden. (Im Original wird von „Systemen“ gesprochen, deren Subsysteme und Elemente sich gegenseitig und die Gesamtheit beeinflussen.)

Kultur ist wandelbar; denn keiner der Faktoren, die sie ausmacht, ist ewig beständig. Trotzdem ist sie (nach Schein*) breit, tief und stabil.

Unternehmenskultur ist also kein kleines Rädchen im unternehmerischen Getriebe, an dem man beliebig drehen kann. Sie ist eher zu vergleichen mit dem Gehäuse für den Betrieb: das muss passen und funktionell sein.

Die Kunst, Unternehmenskultur nach strategischen Gesichtspunkten zu lenken, beginnt damit, sich seiner eigenen Kultur bewusst zu werden. Das ist gar nicht so leicht.

Was gut und böse ist, ist Unternehmens-Ansichtssache?
Sichtbar wird Kultur durch ihre Artefakte und der nach außen kommunizierten Werte. Was aber  darunter liegt, sind die verinnerlichten Wertvorstellungen, die sich in Gewohnheiten, emotionalen Bewertungen und teils informellen Regeln ausdrücken. Jede Entscheidung wird auf dieser kulturell -emotionalen Basis gefällt. 

„Der ganze Entscheidungsprozess – der darauf hinausläuft, dass man am Ende sagen kann: Es wird jetzt so gemacht – beruht auf einer impliziten Informationsverarbeitung, die dem „Entscheider“ gar nicht bewusst sein kann. Hier spielen … emotionale Bewertungen mit hinein. Ohne Emotionen haben Entscheidungen gar keinen Sinn.“ sagt Ernst Pöppel, Professor für Medizinische Psychologie im „side step“ (Publikation der BertelsmannStiftung 3/2012).

Will man also die eigene Kultur kennenlernen, etwa um sie zu verändern, muss man sich in den Bereich der Grundannahmen begeben, die „entscheidende“ Gefühle auslösen.

Versuchen Sie es mit Scheins fünf Dimensionen der Kultur!  Spüren Sie der emotionalen Bedeutung Ihrer Grundannahmen nach:
  • Welche Annahmen, welche emotionale Einstellungen haben Sie zur Beschaffenheit von der menschlichen Natur (z.B: Ist der Mensch grundsätzlich gut oder böse? – Können sich Menschen ändern?)
  • Beziehungen (z.B: Was ist ein Boss? Was wäre ein guter Boss? Sind Sie ein guter Untergebener/Boss?)
  • Aktivität (z.B: Muss ich aktiv sein oder muss ich warten, bis jemand auf mich zukommt?)
  • Realität und Wahrheit (z.B: Rationalität über alles? Die Wahrheit ist subjektiv?)
  • Zeit und Raum (z.B. Mein Büro ist meine Burg. Wenn mein Kollege sich nicht an die abgemachten Zeiten hält, bin ich...)*

Anhand diese Selbstversuches können Sie sehen: Sie haben zu allem eine Meinung. Wie haben Sie sich diese gebildet? Wieweit werden Sie durch Ihren Arbeitsalltag geprägt? Welche Schnittmengen haben Sie mit Ihren Kollegen? Und wie werden diese Gemeinsamkeiten aufrecht erhalten?

Für eine Kulturanalyse nach Schein* werden übrigens ca. 4 Stunden für eine Gruppe von 7 bis 15 Personen veranschlagt. - Ich hatte ja einen Vorgeschmack in der Überschrift versprochen!

*Edgar H. Schein, Organisationskultur, EHP/2003
** englisches Original wurde von mir interpretativ übersetzt.


Mittwoch, 30. Mai 2012

Techniken zur Erfassung der Unternehmenskultur (1)


Theorie: Unternehmenskultur analysieren mit der Repertory-Grid-Technik

Wenn wir sehen, tasten wir nicht Punkt für Punkt eines Bildes ab. Das würde viel zu lange dauern. Wir erkennen Muster, die uns wahrscheinlich erscheinen. Das, was wir so erkennen, wird dann interpretiert, und wir handeln so, wie es wahrscheinlich von uns erwartet wird – oder so, wie wir es auf Grund unserer Interpretation für richtig halten.

Aus der Umwelt wahrgenommenes trifft nun wieder auf Umwelt.
Ist irgendwo in dieser Reiz/Reaktion-Kette ein Fehler, müssen wir uns überprüfen.
Simples Beispiel: Wir meinen ein Vorfahrt-Schild gesehen zu haben und fahren zügig über die Kreuzung. Wenn wir die Ampel daneben übersahen, kann es zu einem Unfall kommen. Hat es erst mal gerummst, überprüfen wir das, was wir wahrgenommen haben. Mit der Einsicht des Fehlers beginnt ein Korrekturprozess. - Meist eine schmerzliche Sache.

Jost Amman, 1562: Allegorie der Wahrheit.
Manchmal schwer zu durchschauen...

Wenn man davon ausgeht, dass es keine objektive Wahrnehmung geben kann, da die Realität viel zu komplex für unsere Sinne ist, kann man weiter sagen, dass unsere gesamte Persönlichkeit aus Vermutungen über die Wirklichkeit besteht. Je näher diese Vermutungen als persönliche Konstruktionen der Realität kommen, desto besser funktioniert eine Person in der Umwelt.

In Kellys „Psychologie der persönlichen Konstrukte“ (1955) wird eine Technik vorgestellt, wie man die Vermutungen, nach denen ein Wesen die Wirklichkeit wahrnimmt, interpretiert und korrigiert, erkennen kann: die Repertory Grid-Technik.

Persönlichkeiten bestehen nach Kelly aus Vernetzungen von Begrifflichkeiten (Ähnlichem und Gegenteil), die die Welt uns verständlich und berechenbar machen. Es geht ihm nicht um objektives Richtig-Falsch sondern um funktionierende Konstrukte: also Annahmen über die Realität, die praktikables Verhalten verursachen.

Die Repertory Grid-Technik wird auch zur Analyse und „Behandlung“ von Unternehmenskultur genutzt.

Grob vereinfacht funktioniert der Einsatz so, dass die wesentlichen Faktoren, die das Unternehmen durch seine Kultur erfolgreich machen sollen, gesammelt werden. Aussagen dazu werden auf einer differenzierten Skala bewertet. Die Bewertung wird nicht nur zum Ist-Zustand sondern auch zum Soll-Zustand und in manchen Fällen auch in Relation zur Vergangenheit vorgenommen.

Bildquelle im Anhang
So vereinfacht ist das Ganze praktikabel. Das Schaubild lässt Handlungsbedarf klar erkennen.

Es ist ein sehr flexibler Ansatz. Da er auf einem phänomenologischen Verständnis basiert, wird versucht, möglichst nah an die Innensicht der Unternehmenskultur zu kommen.“ sagt Prof. Dr. Sonja Sackmann, die diese Technik untersucht und bewertet hat.

Allerdings,räumt sie ein, ist die Anwendung aufwändiger als ein Standardfragebogen, ergänzt aber: “dafür erhalten Sie in Bezug auf die Organisation relevante Daten.“

Das Plus der Methode ist also, dass sie die wichtigen Fragen spezifisch auf das Unternehmen und dessen Problematik erst gefunden werden und nicht einfach auf Standards zurückgegriffen wird.
Der Nachteil: Es ist ein aufwendiges Verfahren, dass nicht nur Wissen sondern auch Geschick und Intuition der Berater erfordert. Dem entsprechend fehleranfällig ist es.

Anhang:




G.A. Kelly veröffentlichte 1955 „Psychologie der persönlichen Konstrukte“ Eine ganz einfache Einführung:


Die Repertory Grid-Technik wird auch zur Analyse von Unternehmenskultur eingesetzt.

Bildquelle: Quelle der Abb.: Messen, werten, optimieren/Erfolg durch Unternehmenskultur/Ein Leitfaden für die Praxis
Aus dem Beitrag von Dr. Andrea Krafft, Malik Management Zentrum St. Gallen, BertelsmannStiftung 2006


Sonntag, 20. Mai 2012

Bauernschlau durch Corporate Publishing


Sie kennen diesen Typ: Nichts Besonderes und doch immer auf dem richtigen Dampfer. Sie waren besser informiert. Aber der sticht Sie einfach aus.

Am Ende war der Mörder immer der Gärtner, und der Pfiffikus bekommt die Prinzessin. Irgendwie weiß man das.

Gerd Gigerenzer geht in seinem Buch „Bauchgefühl“ (Goldmann 2007) diesem „Irgendwie“ genauer nach. Dabei zitiert er Untersuchungen, die belegen, dass etwas besser ist als gar nichts oder viel zu wissen. Die Experten, behauptet er, stochern im Nebel, während man mit gepflegtem Halbwissen extrem gut weiter kommt. Er nennt dieses Phänomen den „Weniger-ist-mehr-Effekt“.

2003 wurden Voraussagen verschiedener Gruppen zu den Ergebnissen der Herren-Einzel in Wimbeldon miteinander verglichen. Raten Sie mal, wer am besten abschnitt? - Es waren die Amateure. Experten, Laien und offizielle Rankings kamen da nicht mit.

Wiedererkennung ist ein wichtiger Faktor bei der Anwendung gepflegten Halbwissens. Was wir oft hören, wird gespeichert, anderes fällt durchs Sieb.
Dabei spielen die Medien eine wichtige Rolle. Denn durch die Medien, in denen das, was potentiell wichtig sein könnte, penetrant wiederholt durchgekaut wird, werden wir kollektiv geprägt.
Berichtet wird natürlich eher über das, was für uns relevant sein könnte. - Irgendwann wird relevant, was wir oft hören.

Sind wir deshalb Spielball der Medien?

Nein, denn die Auswahl der Medien wird verifiziert durch unseren Erfolg bei der Anwendung gepflegten Halbwissens.

Frei nach Gigernzer lässt sich der Kreislauf grob vereinfacht so darstellen:

Medienkreislauf: Qualität-Medium-Nutzen







Hochwertige und tatsächlich wichtige Ereignisse werden öfter erwähnt als andere.
Deshalb sind die Ereignisse, Dinge oder Personen, die wir über die Medien vom Hörensagen kennen, wahrscheinlich relevant. So funktioniert das Halbwissen. Es hilft uns, zu antizipieren und gibt uns ein Gefühl der Orientierung. - Berichtet ein Medium allerdings öfter irrelevantes, so dass der Kreislauf nicht mehr funktioniert, werden wir das Medium nicht mehr konsumieren.

Bauernschläue ist ein kulturspezifisches Phänomen. Klar, denn in jeder Wertegemeinschaft, sei es die Große Community eines internationalen Konzerns, die der Manager oder die kleine der verschrobenen Entwickler, gibt es spezifische Medien, die konsumiert werden und somit eine Gruppenprägung ausmachen.

Sollte unsere Intuition in dem einen oder anderen Fall schweigen, haben wir innerhalb einer Gruppe mit der gleichen kulturellen Prägung die Möglichkeit, uns der Mehrheitsmeinung anzuschließen.
Die Chancen, damit richtig zu liegen, stehen deutlich höher als der Zufallswert. Man kann sich auf das gepflegte Halbwissen der Mehrheit verlassen.

Es ist sicherlich interessant, die Relevanz und Qualität des Corporate Publishing unter diesem Aspekt zu prüfen. Jedenfalls lassen sich so spendierte Zeitungen im Gemeinschaftsraum gut begründen. - Denn gemeinsam geteiltes Halbwissen verkürzt viele Wege und verbindet ungemein.

Kurze Checkliste:

  • Welche Communitys gibt es im Unternehmen?
  • Welche Medien stehen diesen zur Verfügung (interne/externe)?
  • Was wird an Fachzeitschriften benötigt/zur Verfügung gestellt?
  • Inwiefern ist diese Literatur Community stärked oder abgrenzend gegenüber anderen Gruppen innerhalb der Firma?
  • Wie viel Raum/Zeit haben die Communitys, Medien zu konsumieren?
  • Funktioniert das Corporate Publishing (Intranet/Betriebszeitung) als kollektiver Meinungsbildner und Wissenspool? Werden die relevanten Themen gelesen? Wird den Inhalten vertraut? - Gibt es Alternativen zum Corporate Publishing?

Montag, 23. April 2012

Irrationalität - Ärger und Wut

Ärger und Wut kann man nicht einfach ausschalten? Wut kocht in einem, der Ärger nagt. Ist man ärgerlich, sollte man ein Zeichen setzen, dass hier die eigenen Grenzen verletzt wurden. Ärger gibt es immer wieder und überall, wo Menschen zusammen leben und arbeiteten. Ärger lässt sich leider nicht vermeiden, denn dafür sind wir zu komplexe Wesen in einer zu komplizierten Welt.
Mit der Wut ist es etwas anderes: Es gibt Menschen, die in besonderem Maße Ärger zur Wut steigern und solche, die ihre Gefühlen dann auch freien Lauf lassen. W. Berner sagt in „Change“ zu dem Thema: „Wir werden nicht „von alleine“ wütend, sonder wir denken uns in eine Wut hinein“.
Beobachten Sie sich und andere! „Wütend werden wir im Regelfall nur gegenüber Personen, die wir bei einem Angriff nicht zu fürchten haben.“, schreibt W. Berner in dem erwähnten Buch, in dem es andauernd um Machtkämpfe und Gesichtswahrung geht. Ich finde das sehr interessant. Es ist immer wieder wichtig, daran zu erinnern, dass wir alle Menschen sind. Die ganz kleinen und die ganz großen.
Finden Sie den Ärger in Ihrer Umgebung, öffnen Sie ein Fenster, um ihn gegen die frische Frühlingsluft auszutauschen. Gegen die Wut können Sie einfach zu denken anfangen. - Jedenfalls sollten Sie es versuchen;-)

Donnerstag, 12. April 2012

Irrationalität - Gewohnheit

Es gibt einen vielfach wissenschaftlich belegten Status-Quo-Effekt, der „die nicht rational begründbare Tendenz eines Entscheiders, aus den zur Verfügung stehenden Alternativen den Status-Quo zu wählen“* belegt. Nach Kahneman, wird das auch als „Entscheidungsanomalie“ bezeichnet.

In diesem Zusammenhang ist die Studie von Danziger, Levav und Avnaim-Pesso interessant. Sie fanden heraus, dass „Antrag abweisen“ bei richterlichen Entscheidungen dem Status Quo entspricht. In 1000 Fällen untersuchten sie die Behandlung von Anträgen Strafgefangener. Zu Beginn des Arbeitstages lag die Chance auf Antrags-Annahme noch bei 65% und sank kontinuierlich bis zur Mittagspause auf 0%. Nach der Pause stieg die Wahrscheinlichkeit für einen positiven Bescheid wieder, um dann schnell wieder bis auf 0 zu sinken.

Fassen wir uns doch an die eigene Nase und beobachten wir uns und andere auf frischer Tat!

*aus: „Erfolg und Werte“, herausgegeben von Annette Kehnel, Essay von S. Kuester „Ich will so bleiben wie ich bin“

Dienstag, 10. April 2012

Irrationalität - Angst

Sicher kennen Sie jemanden, der Angst vor Hunden hat.
Das ist peinlich. Jeder weiß doch: Hunde tun nichts. Im schlimmsten Falle bellen sie oder – im allerschlimmsten - sabbern sie einen an.
Die meisten Menschen hierzulande erziehen ihre Hunde gut. Man braucht keine Angst zu haben. Aber einige haben sie trotzdem.

Jetzt stellen Sie sich bitte vor, man hielte bei uns Vogelspinnen.
Auch diese Tiere lassen sich anfassen und tun niemandem etwas. Malen Sie sich aus, Sie sitzen irgendwo, und neben Ihnen lässt sich jemand mit einer Vogelspinne auf dem Kragen nieder. Sie beobachten das Tier, das ja nicht wirklich gefährlich ist, kritisch. Langsam krabbelt es vom Kragen ihres Nachbarn in Ihre Richtung.
Sie spüren, wie Ihr Herz schneller schlägt. Sie empfinden namenlosen Ekel. Obwohl Sie versuchen, an etwas anderes zu denken, richtet sich Ihr gesamter Sinnes-Apparat auf die sich ihrem Gesicht nähernde Vogelspinne. Sie können gar nichts mehr denken.
In Panik springen Sie auf. Vielleicht schimpfen Sie dabei auf „die doofen Spinnen-Freaks“.

Unwahrscheinlich ist, dass Sie die Situation im Griff haben und genau das Richtige tun: „Das ist aber ein schönes Tier“, würden sie dann sagen. „Mir gefallen besonders die langen, schwarzen Haare auf den Beinen! Wie heißt es denn?“

Irgendetwas hindert Sie daran, das Richtige zu tun. Und dieses Etwas ist ANGST.
So geht es uns auch im Arbeitsleben, wenn wir Situationen ausgesetzt werden, die uns Angst bereiten. Die Angst hindert uns, das Richtige zu tun. Sie steht vor einem wie eine Wand.

Das schlimme daran ist, dass niemand anderes diese Wand sehen kann. Sie tun etwas Falsches, vielleicht sogar etwas Dummes und niemand weiß, warum.

Sie sollten wachsam sein gegenüber Ihren Ängsten und auch gegenüber den Ängsten Anderer.
Wer die Ängste Anderer ignoriert, wird Schaden anrichten und nicht zum Ziel kommen. Wer Angst sehen lernt, wird erfolgreicher mit anderen zusammenarbeiten.

Montag, 2. April 2012

Authentizitätsfalle Leitbild

Wir sollten immer wissen, wer wir sind, was wir tun, und wie wir es tun. So was muss im Fahrstuhl in 5 Minuten geklärt werden können.

Wir sind handwerklich, wir sind intelligent, wir sind die besten...
Wir verkaufen Autos, Mobilität oder sind Vermittler von Bewegungskultur.
WIR sind 10, 20 oder 2000 Mitarbeiter (und Mitarbeiterinnen + Putzkolonne).

Der Balanceakt zwischen Selbstbetrug und Autosuggestion findet direkt auf dem roten Faden des Leitbildes im Fahrstuhl statt.

Leitbild: Das ist ein Bild, das die Firma leiten soll.
Es muss Kraft haben und es ist ist mehrdimensional.
2-dimensional im Mindesten, 3-dimensional in der Realität, denn jedes Bild wird auf irgendetwas dargestellt, und 4-dimensional, denn es wird von irgendjemand auch zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Situation wahrgenommen.

Legen Sie also Ihr Leitbild wie einen roten Faden an, kann es nichts werden. Der Faden wird im Zweifelsfall nicht halten. Ihre ganze Mannschaft muss dadurch zusammengehalten werden. Jedem Mitarbeiter und allen Kunden muss es Halt geben können. Da sind ein paar dünne Sätze zu wenig.

Versuchen Sie doch, statt einem „Leitbild“ einen „Leitschirm“ zu gestalten.

Dort, wo der Schirm ist, ist man vor Wetter geschützt. Da kommt man freiwillig drunter. - Und wenn die Umstände es nicht erfordern, kann man schon mal eine Spritztour unternehmen, ohne dass die Gemeinschaft drunter leidet.

Fassen Sie sich kurz und großzügig, so dass eine zeitgemäße, dem jeweiligen Bedarf angepasste Operationalisierung der Leitschirm-Begriffe ihre Wirkung entfalten kann.

Dienstag, 27. März 2012

Schokoladenkuchen-Meditation

Für einen Schokoladenkuchen brauchen Sie Eier, Butter, Zucker und Schokolade.
Er wird gebacken mit Mehl – oder ohne – mit Nüssen – oder ohne – mit Backpulver – oder ohne. Sie haben die Wahl zwischen ca. 270 Rezepten. Es ist ganz einfach und ganz lecker.

Warum sollten Sie aber einen Kuchen backen, wenn Sie ihn zu einem ähnlichen Preis auch kaufen können: Als Fertigkuchen von Balsen oder als Backmischung von Dr. Ötger.

Zig-tausendmal verkauft und immer ein Erfolg. Jeder mag das.

Wie auch immer Sie sich entscheiden: Der selbstgebackene Kuchen hat etwas, das der Fertigkuchen nicht hat. Er ist ein markenloses Wesen, ganz Ihres. Risiko- und mühsalbehaftet. Aber ganz Ihres.

Ist das nicht mal eine schöne Abwechslung?

Was wollen Sie wirklich mit Ihrer Arbeit erreichen? Fragen Sie sich das im Team! Wieweit steht Ihnen persönlich der Sinn nach zuverlässiger Qualität (Fertigkuchen) und wieweit nach individueller Höchstleistung (Schokokuchen nach eigenem Rezept). Und wie – zum Kuckuck – soll man in letzterem Falle das vermitteln?

Nehmen Sie sich Zeit für die Meditation!

Mein Lieblingsrezept verrate ich auf Anfrage: der Marketing-Springer-Schokoladentraum!

Montag, 27. Februar 2012

Der Munkel-Raum

Ich besuche diesen Raum täglich. Er ist sehr groß und unübersichtlich verwinkelt. Trotzdem genieße ich meine täglichen Streifzüge durch ihn. Gerade die Größe ist wie ein Versprechen: dort gibt es sicher was zu entdecken...

Wenn ich den Raum betrete, höre ich ein leises Murmeln. Sobald sich meine Sinne an die geruchs- und geschmackslose Dämmerung gewöhnt haben, beginne ich, einige Stimmen klarer ausmachen zu können. Man redet über den Präsidenten. Man redet über lustige Videos und über gute Preise und guten Service dieser oder jener Marke. Ein Bösewicht hat sich eingeschlichen und versucht, mich mit Nachrichten zu belästigen, die er zu laut vorträgt. Ich wende mich ab und gehe in eine Ecke, in der ich auch zu sprechen beginne.
Ich erzähle von meinem Lieblingsthema: „Unternehmenskultur“. Diesmal geht es darum, dass ich eine Tagung besucht habe, bei der ich gelernt habe, das Verhalten in diesem Munkel-Raum gezielt zu beobachten. Auf dem Podium saßen 3 Männer und eine Frau. Obwohl die Frau die größere Community betreute, wurden irgend weshalb immer erst die Herren befragt. Anschließend hieß es dann, ob die Dame auch noch was dazu sagen wolle.

Auf der Tagung war auch viel die Rede davon, dass Unternehmen, um hier erfolgreich zu sein, erst eine Kultur der Offenheit und des Vertrauens schaffen müssten. Die Erkenntnis, dass sowohl Mitarbeiter als auch Kunden Menschen sind, müsse sich ganz konsequent durchsetzen. Sonst könne man eben nicht mitmachen im Munkel-Raum. Dann ginge es schief.

Ich sage mit lauter Stimme - es kostet mich etwas Überwindung -, dass ich dabei helfen kann, diese „Kultur der Offenheit und des gegenseitigen Vertrauens“ in Unternehmen zu schaffen. Ja, das kann ich.

Ich habe drei Zuhörer, über die ich mich sehr freue. 25 weitere stehen mit dem Rücken zu mir und beachten mich nicht weiter.

Im Kaffee-Laden ist was los: Da erzählt man sich, dass man gerade da ist!

Plötzlich, irgendwo, zwei Ecken weiter in der diffusen Dämmerung und dem Rauschen des Munkel-Raumes wird es laut. Irgendwer schreit jemanden an, der nicht darauf reagiert. Daraufhin wiederholen andere die Beschimpfungen, und nach und nach entsteht ein rhythmisches Schreien. Ein unangenehmer Geruch macht sich breit.

An anderen Ecken, ganz bei mir in der Nähe haben sich Leute eingehakt und summen freundlich lächelnd ein schönes Lied vom tollen Preis. Ihre Gesichter leuchten kreisrund und gelb. Die Münder sind nach oben gebogene Linien und die Augen Punkte. Das also sind „Wir“.
Ich trete zu der fröhlichen Gruppe, reduziere mein Gesicht ebenfalls auf ein Smily und schunkel eine Runde.

Als ich dann, weil ich noch was zu erledigen habe, meinen Besuch im Munkel-Raum beende, stelle ich fest, kaum aus dem Raum getreten, dass ich mich irgendwie verändert habe.
Da ist ein gelbes Tattoo auf meiner Stirn. Ein blöder Grinsi.
Macht nichts, den wische ich einfach mit Wasser und Seife wieder weg.

PS: Anregungen, Kommentare, Ergänzungen? - Dann kommen Sie doch zu mir in den Munkel-Raum, da können wir uns unterhalten...

Freitag, 10. Februar 2012

Ohne Bild und ohne Zitat - ohne Netz und doppelten Boden

ODER:
Was das Lausen mit Change zu tun hat.

Was ist hier bloß los? Kein Zitat zu Beginn, um den Text gleich in unseren großen Zusammenhang zu stellen?
Kein Bild, an dem man sofort erkennen kann, um was es geht?

Journalistische Texte, auch wenn sie als Essays daherkommen, brauchen Zitate. Dabei kann es sich um die wörtliche Rede einer renommierten Persönlichkeit handeln oder auch um das Zitat irgendeiner Ikone des Geistes wie zum Beispiel Einstein. Denn dem kann man so gut wie alles in den Mund legen. Wenn es kein schlauer Spruch ist, dann wird er durch seinen Mund zu einem. Dann vermutet man automatisch einen Kontext, der aus einer Banalität eine Erleuchtung macht.
Das mit den Zitaten wie auch mit den Bildern gehört sich so. Das macht man eben. Genauso, wie man sich einen Anzug anzieht, wenn man auf eine Abendveranstaltung geht. Es ist eine kulturelle Konvention, die sehr tiefe Wurzeln hat.

In unserem europäischen Mittelalter zum Beispiel begannen die Briefe der Denker an die Instanzen stets mit dem Aufruf allgemeingültiger Autoritäten – damals war zum Beispiel Aristoteles in. Damit wurde zur Kenntnis gegeben: „Ich bin ein kleines Glied in der Kette der gesellschaftlichen Ordnung. Ich akzeptiere die Ordnung so wie sie ist, und ich will ganz bestimmt nicht wirklich etwas ändern. Ich habe lediglich an einer kleinen Stelle eine Verbesserung vorzuschlagen. Aber es ist wirklich nur eine ganz kleine!“ - Diese Beruhigungs-Taktik war und ist notwendig; denn es gehört zu jeder Kultur, dass sie sich vor Veränderungen schützt. Sie bewahrt sich selbst, indem sie das Innovationstempo drosselt.

Veränderung verursachen Ängste. Wir haben Angst, dass unser Weltbild nicht mehr trägt, dass wir lernen müssen, dass wir vorübergehend inkompetent sind. Niemand will dastehen wie ein Depp. Wir wehren uns automatisch gegen Neues, damit niemand aus uns einen Depp macht.
Diese tiefe Angst vor Veränderung ist eine sehr wichtige Kraft aller Kultur. Wir brauchen Verlässlichkeit, weil unsere Welt komplex ist. Wir haben so viele Erfolgsalgorithmen entwickelt, nach denen wir blitzschnell Entscheidungen treffen können, die dann auch tragen. Wir sind gewohnt, Dinge auf den ersten Blick zu erfassen. Wenn sie unseren Erwartungen entsprechen, brauchen wir keinen Rechnerplatz im Gehirn zu belegen. Wir können uns auf die Aufgaben konzentrieren, die uns tatsächlich weiter bringen. Je besser die Vorurteile mit der Wirklichkeit übereinstimmen, desto sinnvoller greift der Erfolgsalgorithmus, desto mehr Rechnerplatz bleibt für den Fortschritt. - Und an dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz: denn den Fortschritt wollen wir nicht wirklich. Davor haben wir eine gesunde Angst. Niemand soll uns an die Vorurteile gehen...

Wenn sich etwas ändern soll, dann müssen Tricks angewendet werden, um die natürliche Abwehr gegen Veränderung aufzubrechen. Ein gutes Zitat ist so ein Trick. Etwas fortgeschrittener und wirkungsvoller ist es, mit Kunst zu arbeiten. Mit Kunst lassen sich zum Beispiel Visionen visualisieren. Und Visionen sind zwingend notwendig, damit ein Weltbild entsteht, das den Menschen Mut macht, sich in vorübergehend Inkompetenz zu begeben.
Außerdem lässt sich mit künstlerischen Mitteln alles dekonstruieren. Kunst (zumindest einige Richtungen) entspricht nicht den Erwartungen. Sie verwirrt, irritiert und bringt einen dazu, wieder über die Erfolgsalgorithmen nachzudenken. Das ist unumgänglich, wenn man Change will.

Change kontra Kulturbewahrungsinstinkt

An dieser Stelle gebe ich nicht der Verführung nach, meinen Text mit Op-Art zu illustrieren, um die Störung der Seh-Algorithmen zu belegen. Das wäre zu banal. Sie alle kennen diese Bilder, die etwas vorgaukeln. Sie alle wissen, dass Ihr Gehirn Schlüsse zieht, die meistens Sinn machen, aber nicht das zeigen, was tatsächlich da ist.
Auch sehe ich davon ab, näher auf das „MonaLisaPhänomen“ einzugehen: Warum fühlen sich so viele Menschen motiviert, ein Bild im Original anzusehen, das vor langer Zeit einmal bahnbrechend gewesen war und das man eigentlich kennt. - Das wäre eine so schöne Gelegenheit, meine bildungsbürgerliche Substanz zur Schau zu stellen. - "Seht her, ich anerkenne unsere kulturellen Wurzeln!"
Es wäre jetzt auch unglaublich angenehm, Derridas Ideen der Dekonstruktion anzuführen und hinter dem breiten akademischen Rücken Schutz zu suchen (Nach dem Motto: „Sehen Sie, der hat das auch gesagt und DER IST SCHLIESSLICH WER...). Aber eben genau darauf will ich verzichten.

Sie wissen nämlich auch ohne dieses Versteckspiel, wovon ich rede. Nichts ist wirklich überraschend an meinem Text, außer, dass ich auf der Unartigkeit bestehe, weder zu zitieren noch zu illustrieren. Es bleibt Ihnen also nichts weiter übrig als diesen Verstoß gegen die Konvention als sinnvoll, irrelevant oder inakzeptabel einzustufen.

Finden Sie ihn interessant, weil er eine Gewohnheit aufbricht, die überkommen ist?
Das Zitat ist in wissenschaftlichen Arbeiten wichtig, da man die eigenen Gedanken nachweisen und einordnen muss in die Erkenntnisse anderer. „Du sollst nicht abschreiben!“ lautet außerdem das erst jüngst viel bestätigte Gebot. Ich anerkenne das.

Aber was das allgemeine Nachdenken angeht, hat ein jeder Mensch seine Entscheidungsfreiheit.
Er wird für jede seiner Thesen Belege finden. Die Literatur gibt so ziemlich alles her.

Zu den meisten wissenschaftlichen Studien finden sich auch Gegenstudien. Ein paar Parameter vertauscht und im allgemeinen Rauschen der Medien lässt sich dann aus 1 ein -1 machen:
Die Pole schmelzen wegen des hohen CO2-Ausstoßes; die Pole schmelzen nicht deshalb. Ein Baby muss 6 Monate gestillt werden, ein Baby sollte gar nicht so lange gestillt werden. Fett muss in der Ernährung gemieden werden. Low-Fat ist schädlich.
Für jeden ist was dabei.
Je nachdem, was er glauben will.

Der Jedermann muss sich also auf seine Intuition verlassen. Er muss soziale Klugheit walten lassen, Autoritäten integrieren, Algorithmen anwenden, die bisher in seinem Umfeld funktioniert haben.
Und da wir uns gerade in einem gesellschaftlichen Umbruch befinden, sollten wir einen Blick auf die Rolle der Social Media werfen. Denn durch das Web 2.0 wackelt die Definition von Erfolg, oder zumindest die vom sozialen Umfeld.

Social-Media und Erfolg in der Primatengesellschaft

Was Social-Media angeht, funktionieren die alten Faustregeln, wie schon gesagt, nicht mehr so ganz.

In diesem Umfeld ist ein „Social Hub“ zum Beispiel, wer den Regeln einer bestimmten Offenheit folgt. Verteilen, kommentieren, kommunizieren, „befreunden“ sind hier das Rezept, wer zu werden. Hat man dazu auch noch fachlich was zu sagen, steigt man in der Hierarchie der Social-Media-Gesellschaft.

Es ist erfolgversprechend, möglichst viel zu zitieren und selbst zitiert zu werden. Die Algorithmen der relevanten Empfehlungs-Maschinerie spiegeln hier nur eine alte und kulturell verwurzelte Praktik.

Mit Katzenwitzen lässt sich ganz schön was reißen, denkt man. Aber es gibt nur einen, der mit Katzenwitzen was reißen kann. Alle anderen dienen seinem Erfolg.
Der Katzenwitzmacher wird zu einer Autorität. Zu einer Ikone des Erfolgs, in dessen Schatten man segelt.

Indem man Katzenwitze verteilt, folgt oder kommentiert, bestätigt man das System des Erfolges und wird Teil seines Algorithmus. Man gehört zu einer Gemeinschaft, und dass befriedigt gewisse Grundbedürfnisse.
Um Grundbedürfnisse geht es überhaupt:
Was den Affen das Lausen, ist den Menschen der Austausch von Belanglosigkeiten: Es stellt soziale Beziehungen her und festigt sie. Wir tun uns mit Small-Talk was Gutes. Wir streicheln uns gegenseitig die Seele.
Diese Streicheleinheiten, die wir uns gegenseitig verpassen, werden relevant, wenn es um Stellung im gesellschaftlichen Leben geht. Bei den Berberaffen z.B. wird Chef, wer die meisten sozialen Kontakte hat.
Chef sein ist nicht schlecht. Man bekommt als erster zu futtern.
Umgekehrt ist diese Regel auch sinnvoll, denn ein Clan sollte möglichst einheitlich auftreten, und das tut er am besten mittels eines integrativen Chefs.

Auf dieser Ebene betrachtet bedeutet die Verweigerung des Zitierens: Ich verweigere einem höher gestellten Stammesmitglied den Respekt. Ich verweigere das Lausen eines Höhergestellten. Ich lasse auch das Bild weg, und das kann schon fast als Angriff auf das Lausen an sich gesehen werden.

Spätestens jetzt wird die Sippschaft aktiv: Das Lausen, das ist eine Wohltat für die Seele. Darauf will man nicht verzichten. Es garantiert, dass man die integrativen Fähigkeiten eines potentiellen Chefs aufbauen und messen kann. Man braucht das Lausen.

Der Affe in mir wird dafür sorgen, dass ich den nächsten Artikel ganz brav mit einem Zitat beginne und einem Bild ausschmücke.

Es kostet mich ja nichts.

Sie werden es honorieren.

Die Change-Beraterin mit dem künstlerischen Hintergrund, die ich auch bin, verweigert dem Affen in mir, dem kulturellen Instinkt nachzugeben.

Kultur steht zur Disposition. - Auch in Ihrem Unternehmen. Man kann da was drehen...

Unternehmenskultur: ERFOLG prägt die Kultur - Ein Leben für den Keks

Kulturelle Werte werden durch Erfolg geprägt. Unsere Erziehung funktioniert wie ein Labor-Labyrinth, in dem nur den Keks bekommt, wer den „richtigen“ Weg genommen hat. Was der richtige und was der falsche Weg ist, entscheidet der wiederholbare Erfolg.

Mit erhobenem Zeigefinger wird Misserfolg bei bestimmten Verhaltensweisen prophezeit. Man sagt: „Damit wird er oder sie nicht durchkommen“. Und dann wird der Erfüllung dieser Prophezeiungen auch kräftig nachgeholfen.
Das ist Erziehung: Verstärken bei Wohlverhalten, welches den Werten der Erziehenden entspricht und Bestrafen bei Fehlverhalten, welches ihnen zuwider ist.

Und so werden wir schon von Kindesbeinen an durch Erfolg geprägt. Was Erfolg bringt, wird zur Richtlinie, zum Wegweiser im Labyrinth der Möglichkeiten, und schließlich als Wert verinnerlicht.

Nicht anders ist es im Erwachsenenleben. Wir lernen uns anzupassen durch Erfolg oder Fehlschläge: Erst in der Uni und dann im Beruf.

Jede Berufsgruppe und jedes Umfeld hat seine eigenen Werte, die den Erfolg in ihr bestimmen.

Gemeinsam ist allen, dass die nächst höhere Instanz immer vorgibt, was oder wer erfolgreich ist. Sie versteckt den Keks im Labyrinth und stellt die Hinweisschilder auf.
Niemand ist in diesem Spiel frei und unabhängig. Auch nicht als Manager; denn als solcher untersteht man den Zahlen und der öffentlichen Meinung .

Die öffentliche Meinung ist wiederum stark von ihrer Kinderstube geprägt. Und schon sind wir wieder im Labor-Labyrinth, in dem den Keks bekommt, wer sich „wohl“ verhält.

So kommt es, dass es sich für ein Unternehmen lohnt, über Nachhaltigkeit nachzudenken, da dies zu öffentlicher Sympathie (dem Keks) führt oder zumindest PR-Gaus vorbeugen kann. Wer möchte schon von irgendeiner Weltverbesserer-Clique aufs Korn genommen werden?

Es lohnt sich, einen guten Führungsstil zu kultivieren, dann werden einem die Mitarbeiter nicht krank.

Es rentiert sich, für Verständlichkeit, Machbarkeit und Sinnhaftigkeit der Mitarbeiter-Aufgaben zu sorgen; denn dann wird man sich die Top-Kräfte bei der Stange halten.

Für mehr Erfolg wäre man sogar selbstlos.

Dieser behavioristische Ansatz entspricht einem mechanistischem Weltbild, in dem man Verhalten beliebig anerziehen kann.

In einer Firma wird die Kultur also manipuliert, indem man den Keks neu versteckt und gleichzeitig die Wegweiser nach dem Versteck ausrichtet.
Nach einer Weile wird’s schon klappen: Alle Laborratten haben verstanden, dass sie sich ab jetzt anders verhalten müssen, damit sie an den Keks kommen. Warum sollte es Ihren Mitarbeitern nicht auch gelingen.

Und Sie selbst?

Fühlen Sie sich wohl in dieser Rolle? Haben Sie die Wahl?

Entwerfen Sie doch mal Gegenbilder zum Labyrinth. Dann steht Ihnen plötzlich eine ganze Welt offen!

Donnerstag, 2. Februar 2012

Handschriftliches Memo... Betreff: Leben wir tatsächlich in einem mobile-Entwicklungsland? Und wenn ja, stört mich das?

Ich sitze im Zug Hamburg-Berlin und freue mich auf ein entspanntes Wochenende. Dabei lasse ich die letzte Veranstaltung über neue und alte Trends an mir Revue passieren.

Google bläst bei allen Gelegenheiten zur Mobil-Machung. Und bei jeder Präsentation wird nicht vergessen darauf hinzuweisen, dass andere Länder schon viel „weiter“ seien, was die Verbreitung von Smartphones und Mobilen Webseiten angehe.

Man kommt sich hinterwäldlerisch vor, so ganz ohne.

In der Bahn sitzen die Leute und genießen smart die Vorteile. Man hat gar nicht den Eindruck, dass "wir" so "zurück" sind. Die gefühlte Smartphone-Verbreitung beträgt 88%. 

Ich finde diese Fingerbewegungen sind irgendwie sexy. Das hat was von Magie.

Draußen zieht die Heide vorbei. Rehe grasen.

Ich sehe es, während mein Buch (aus Papier) aufgeschlagen auf meinem Tischchen liegt.

Neben mir ist ein Herr damit beschäftigt, SAP-Listen durchzugehen, hektisch Mails zu beantworten und dann einen Film anzusehen. Andauernd wird der Film gestoppt und das Pad anders arrangiert. Irgendwas stimmt nicht mit dem Display. Ich bin bemüht, nichts davon mitzubekommen.

Eine Frau telefoniert mit ihrem Freund. Sie will ein neueres Modell des I-Phone haben. Ihr Handy ist irgendwie veraltet.
Kann schon sein, denn sonst hätte sie sich sicher still und lautlos via Mail unterhalten und ich hätte gar nichts mitbekommen, außer, dass sie auch eine von denen ist, die schon „soweit“ sind.

Informieren Sie sich auch über günstigere Schopping-Angebote via Smartphone? Haben sie die Investition dadurch schon raus?

Hat Ihre Firma eine angemessene mobile Anwendung? Jede Möglichkeit zu kommunizieren und zu interagieren muss genutzt werden. Schließlich steigen die Anwender-Zahlen rapide: Durch Sie, den Konsumenten.

Ihr Smartphone-Hersteller jedenfalls hat was davon, dass Sie auf den Zug aufgesprungen sind.

Ich habe mich für ein süßes kleines Net-Book entschieden. Es passt besser zu mir, weil ich so viel schreibe. Zwischendurch häkele ich, damit ich dann, wenn die kritische Masse erreicht ist, und man Tickets nur noch über Smartphones bekommt und Kreditkarten aus Plastik endlich abgeschafft wurden, fertig sein will für die Fingergymnastik.

Und was hat das alles mit Unternehmenskultur zu tun?
Ihre Firma darf die Trends nicht verschlafen. - Der zusätzliche, mobile Kanal und die neuen, erweiterten Möglichkeiten müssen ohne Wenn und Aber besser gestern als heute erschlossen und vorausschauend genutzt werden. Dafür sind unter anderen Sie als Profi oder ich als Beraterin verantwortlich.
Aber deshalb brauche ich mich nicht von Google, Apple, Samsung& Co. instrumentalisieren zu lassen.
Das ist meine Freiheit: professionell im Unternehmen und eigenwillig im Leben zu bleiben. Eine Freiheit, die prägend ist für unsere Kultur. - Lebt diese auch in Ihrem Unternehmen?

Und jetzt soll bloß niemand sagen, ich hätte was gegen Smartphones!

Sonntag, 1. Januar 2012

Cocktail zum neuen Jahr!

Erich Fromm in „Authentisch leben“:

„Die konkreten Beziehungen zwischen den Menschen haben ihren unmittelbaren und humanen Charakter verloren. Stattdessen manipuliert man einander und behandelt sich gegenseitig als Mittel zum Zweck.“ … „Es ist, als ob es sich nicht um Beziehungen zwischen Menschen, sondern um solche zwischen Dingen handelte. Am verheerendsten aber wirkt sich dieser Geist der Instrumentalisierung und Entfremdung auf die Beziehung des Menschen zu seinem Selbst aus.“

Albert Einstein zugeschrieben:

„Um ein perfektes Mitglied einer Schafherde zu werden, sollte man zu aller erst ein Schaf sein.“

„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

Aus dem SPIEGEL Nr. 49, 5.12.2011 “Die fanatischen Vier“ (es geht dabei um Google, Amazon, Apple und Facebook) von P. Bethge, M. Brauck, M.U. Müller, M. Rosenbach, H. Schmundt, T.Schulz, J.Tiez (zitiert wird John Callas)

„In den Augen der großen Konzerne sind die Nutzer nur Salatköpfe.“

„Selbstverständlich seien Google und Facebook (und Co.) am Wohlergehen ihrer Nutzer interessiert, ähnlich wie ein Gemüsebauer am Wohlergehen seiner Salatköpfe. Selbstverständlich wolle er, dass sie gesund bleiben und groß werden und ein erfülltes Gemüseleben verbringen.“

 
Aus dem Gedächtnis zitiert - Autor mir derzeit unbekannt:

„Erfolg heißt, einmal weniger zu scheitern als es versucht zu haben.“


Diese Zitate habe ich für Sie als Neujahrs-Cocktail zusammengestellt. Ich wünsche uns allen etwas weniger den Sachzwängen untergeordnetes Miteinander.

Aus meiner persönlichen und beruflichen Passion in diesem Sinne: PROSIT NEUJAHR!